ERFAHRUNGEN

Diese Seite enthält Erfahrungen, die wir in unseren jeweiligen Tätigkeitsfeldern machen. Gehörst du zur „Zunft der TempelpriesterInnen“ und möchtest etwas beitragen, setz dich gern mit uns in Verbindung.


Erfahrungen zweier TempelpriesterInnen

SIE
Meine Vision beginnt an einem geheimnisvollen, magischen Platz, der jetzt von Vipern geschützt wird, gegen deren Nervengift es auf der Insel kein Gegenmittel gibt. Ich respektiere, dass es geheim ist. Es gab Wasser da, Heilkräuter, Rosmarin, Thymian, etwas duftete beim Hindurchlaufen. Es gab Nährendes an diesem Platz, Walnüsse, Erdbeeren, Brombeeren, Johannisbrot. Die erste Priesterin saß mit hoch gerafftem Rock und offenem Schoß auf einem Thron. Die Gebärende. Nähren, Heilen, Gebären. Die eingeweihten Frauen hüten ein Geheimnis. Ich fühle mich geehrt, dass ich da sein durfte mit Erlaubnis der Schlange, der Hüterin.

ER
Meine Vision ist eine Zeitreise, die mich zurückführt in ein grünes Tal in Istrien und zu meinem Lehrer, der dort damals in einer alten umgebauten Wassermühle lebte, ohne Stromanschluss, ohne Telefon. Neben mir geht an meiner Hand ein Junge mit lockigem braunem Haar – das bin ich, ich selbst als Kind. Ich versuche mir selbst der Vater zu sein, den ich so gern gehabt hätte. Ich möchte spielen. Aber ich sehe niemanden, der ebenso spielfreudig wäre. Schade. Ich schaue mich um und bleibe mit den Augen bei meiner Nachbarin zu meiner Linken hängen. Huch! Was geht da ab! Ich traue meinen Augen kaum: diese kraftvolle stolze Frau – sie kämpft mit etwas. Sind es etwa Zweifel und Angst. Wozu? Und weshalb sie?! Ich weiß eigentlich nichts über sie. Sie machte einen starken Eindruck den ganzen Tag über auf mich. Was habe ich gesehen oder interpretiert? Und was sehe ich jetzt? Welcher Wahrnehmung kann ich trauen? Sie stresst sich ja selbst, ich möchte helfen. Ich bin gerade so voll und ich kann gerade so mühelos geben.

SIE
Na toll. Jetzt wird uns der Zugang verschlossen bleiben, weil Männer im Raum sind, denke ich ernüchtert. Fragend sehe ich mich im Raum um und lande in deinen Augen. Du schaust mir in die Augen und atmest mit mir, sanft, offen, kraftvoll und meine weibliche Energie kommt in Bewegung. Ich erinnere mich. Du hältst meinen Kopf mit deinen wundervoll kühlen Händen und ich sinke hinein. Ausruhen. Ich bin so erschöpft. Ich trau mich nicht. Tränen fließen und du bleibst da, du hast keine Angst.

ER
Sie kämpft. Dabei ist doch jetzt die Zeit zum Ausruhen. Sie hat zu wenig ausgeruht in ihrem Leben. Mein Gott hat sie gekämpft. Jahrelang! Und kämpft immer noch! Sie muss doch auch mal ausruhen, diese schöne kraftvolle Tigerin! Sie verheizt sich doch sonst. Ganz weit hinten in mir sage ich zu mir selbst: „Du weißt schon, dass es nicht ganz ohne ist, wenn man Tiger versucht zu streicheln?!“ OK? OK. Ich respektiere und riskiere es. Aber es geht gar nicht um Streicheln. Ich erzähle ihr, was ich sehe und wünsche ihr, dass sie sich erden und sammeln kann, mal ausruhen und nichts leisten, Kraft tanken... Es ist ja auch in der Natur so ein schönes Bild, wenn Katzen sich sammeln, bevor sie zum Sprung ansetzen. Und dieses Bild ist so stark und die Lösung ist so einfach: Ankommen im Hier und Jetzt. Geschützter Rahmen, Bodenkontakt mit allen Gliedmaßen, Erdung, Kraft tanken.

SIE
Ich trage einen schweren, langen Wollmantel und stapfe durch den Nebel, den tiefen Staub. Es ist so anstrengend. Ausruhen. Dankbar nehme ich an, dass ich hier Kraft sammeln kann. Die werde ich noch brauchen. Mir wird klar, ich bin noch nicht am Ziel. Und langsam beginne ich zu erahnen, warum du hier bist und warum ich hier bin. Ich bitte dich, gewähre mir deinen Schutz. Diese Satz tauchte sehr machtvoll in mir auf, wie als würde ich in einer alten Sprache sprechen oder mit einer anderen Stimme. Ich muss auf die Reise zu den Sternen am nachtblauen Himmel, die ich allein zu gehen habe. Schütze meinen Körper vor Zähnen und Klauen, die über meinen Leib herfallen könnten, während meine Seele reist, während ich gebäre.

ER
Ich weiß sehr gut wo und was richtig ist. Ohne Ausrufezeichen am Ende, einfach nur ein Punkt. Selbstermächtigung. Ja, dafür bin ich hier. Es ist Wahnsinn, was ich alles wahrnehmen kann, was ich alles spüre und welch ausgezeichnete Intuition ich habe. Und plötzlich bittet sie mich um meinen Schutz! WAS?! Ich stelle fest, dass ich doch noch mein imaginäres Häschenkostüm vom ersten Spielimpuls anhabe und lege es vorsichtig mit meinem T-Shirt ab. Hier ist kein Bunny gefragt, sondern ein Mann, ein Beschützer, ein beschützter Raum den er hält, ein sicheres warmes Nest, was ihr hilft anzukommen, innezuhalten. Meine Wärme, mein Körper, meine Haut, mein Halt... das kann sie jetzt alles haben, mehr habe ich gerade eh nicht.

SIE
Du hältst aus, bis ich dich entlasse. Wieder taucht so ein starker Satz auf: Ich entlasse dich aus deiner Aufgabe. Ich bin zurück. Aufgefüllt. Aus meiner Tiefe steigt wieder ein Satz auf: Nähre dich in meinem Schoß. So schließt sich der Kreis. Du hast mir in die Augen geschaut und mit mir geatmet und das Rad der Energie begann sich zu drehen. Ich stehe hier voller Demut und Dankbarkeit, staunend und reich beschenkt. Tiefer, natürlicher Respekt voreinander. Eine intensive Reise, die nach außen unsichtbar war, in der Öffentlichkeit und gleichzeitig im Verborgenen.

ER
Ich spüre, dass es ihr hilft. Sie geht durch Prozesse, von denen ich keine Ahnung habe. Es geht um Gebären. Inzwischen wird meine Tigerin lebhafter, es geht ihr besser, sie entlässt mich aus meiner Beschützer-Rolle. Und ich fühle plötzlich diese Leere: Wozu sind die Männer dann da?

Ich komme etwas ins Denken. Irgendetwas stimmt noch nicht, irgendetwas fehlt, damit es rund und abgeschlossen ist. Plötzlich kommt mir dieses Bild: die Sonne-Mond-Haltung von Mann und Frau, im Tantra auch Yab-Yum genannt. Ich habe kein einziges Buch über Tantra bis jetzt gelesen und mich für die Theorie dahinter nie interessiert. Doch plötzlich verstehe ich zumindest diesen Aspekt: Frieden! Mann und Frau haben ihre eigenen Prozesse und da müssen sie auch durch, die kann der andere nicht abnehmen. Doch wäre es nicht ein schönes Bild am Ende, die schönste und einfachste Lösung, wenn beide in Frieden gemeinsam in sich ruhen. Seufz.

Oh Scheiße, das kannst Du jetzt nicht bringen! Mit so einem Bild machst Du vielleicht alles kaputt, man! So einen Wunsch kannst Du ihr gegenüber doch jetzt nicht äußern! Kann ich nicht? Echt nicht? Doch, ich muss, sonst bräuchte ich eigentlich nie wieder ein Radical-Honesty-Seminar besuchen. Also erzähle ich meiner Reisegefährtin von meinem Bild.

SIE
Wir waren Weggefährten. Du erfüllst deine Bestimmung, ich die meine. So dienen wir beide in unserer Natur, das Männliche in seiner Reinheit und Schönheit, das Weibliche in seiner Urkraft. Ursprünglich animalisch. Zurück im Tempel, zurück von der Reise zu den Sternen am nachtblauen Himmel, wieder in meinem Körper, meinem Schoß, dem Tempel, atmest du tief ein und äußerst den Wunsch, dass ich mich (nackt) in Sonne und Mond auf dich setze, (explizit nicht in sexuelle Vereinigung, darum ging es gar nicht.) Ich bewundere den Mut, mit dem du es aussprichst, die nackte Ehrlichkeit und fühle hin. Ich zögere. Die Reise geht da entlang, wo noch keine Fußspuren sind. Da ist kein Ja. Und keine Forderung von dir, kein Drängen. Angst zu brennen. Ich habe schon so viel Feuer in mir, jede Zelle vibriert in höherer Frequenz. Wir liegen auch vor dem Feueraltar, wie passend. Es ist mir zu heiß.

ER
Ooops, passt gerade gar nicht. Seufz. Ein bisschen versetzt mich das wieder an den Anfang und ich möchte einfach nur spielen. Doch ich bin stolz auf meinen Mut und den Mut und die Ehrlichkeit „meiner“ mitreisenden Tigerin und ich fühle mich unglaublich tief verbunden – noch immer, jetzt!

SIE
Dein Impuls war richtig und hat die Richtung gewiesen. Nur waren wir noch nicht geweiht, den Altar (in Sonne und Mond) einzunehmen. Aber wir teilen unser Wissen: "Schwester, ich möchte Dir ein Geheimnis verraten. Du darfst ausruhen". Mit diesen Worten weihen wir eine Tempelschwester in das ein, was wir soeben erfahren haben. Sie soll es auch erfahren, diese urmännliche Bereitschaft, Schutz und Ruhe zu gewähren. Seine Hände halten ihren Kopf und sie sinkt hinab, wohin, ist ihr Geheimnis. Ihre Füße nehme ich an meinen Bauch, an mein Herz. Wie stark und schön sie ist. Und wieder tut er genau das Richtige. Als sie wieder auftaucht, nimmt sie uns an ihre Mutterbrust, ich rechts, er links. So endet unsere Reise.

ER
Ich schreibe später in mein Buch: „Der Tempel ist in uns! Unsere Körper und unsere Seelen sind der Tempel.“ Und als zweite Erkenntnis: „Wir Männer können nicht gebären. Das können nur die Frauen. Wozu sind die Männer dann da?“ ….. Beschützen, Raum halten, unterstützen …. DA SEIN, ZEUGE SEIN, RUHE und Sicherheit verströmen... Bevor ich dann beschloss zu schlafen, schieb ich noch in mein Buch: „Wenn ich massiere schenke ich mich. Ich schenke Berührung durch meinen Körper, mit meiner Seele, mit all meiner Liebe, inklusive all meinem Wissen, bewusst und unbewusst, mit meiner ganzen Geschichte, meiner einzigartigen Biografie.“

SIE
Die Reise war ein langsames, wellenartiges Gebären alten Wissens durch uns. Es gibt Dinge, die sind euch Männern nicht zugänglich und uns Frauen nicht ohne euch.

Dresden, Januar 2020

Erotische Massage

Ein Mann tritt ins Zimmer. Ich habe ihn erwartet, meinen König, meinen Gott, und lächle ihn an. Du sollst dir kein Bildnis machen. Heute ist er nicht picklig, nicht der glatte Manager, heute ist er um die 60, schaut sich suchend um und stellt seinen Aktenkoffer neben die Garderobe. Er haspelt sich aus dem Mantel, legt sein Handy auf den Tisch und setzt sich. In dieser Minute vollzieht sich meine Verwandlung zur Priesterin. Sie scannt jede seiner Gesten, taucht durch jedes einzelne gelebte Jahr, riecht seine Begierden, seine Scheu. Ich richte mich auf, er schaut mich erstaunt an. „Du siehst viel besser aus als auf dem Foto im Internet“, sagt er. „Ich weiß“, denkt die Priesterin. Ich töpfere Gefäße für Vertrauen und fülle Worte hinein, berühre seine Hand, schaue ihm in die Augen. Ich erkläre den Ablauf der Massage. Verspreche, ihn überall zu berühren und nur dann, wenn ich mir sicher bin, dass er es möchte. Bitte ihn, sich alle Gefühle zu erlauben, auch die letzte durchflutende Entspannung, falls er will. „Ja, ich will, sehr gern“, sagt er.
Eine Stunde vergeht. Eine Stunde beinahe ohne Gedanken. Ich schaue meinen Händen nach, wie sie über lederne Haut fließen, eine Falte am Kinn glätten, die kräftigen Hände walken, die Haare in den Achselhöhlen spüren, das Bein anheben, schaukeln, die Gelenke dehnen, einen Leberfleck am Bauch umkreisen. Ich spanne mit den Händen einen Bogen von der Schulter bis zum Fuß, streife mit meinem langen Haar seinen Lingam, hauche einen Kuss. Er atmet tief, eine Welle erschüttert seinen Körper, ich denke wie schön du bist ich liebe dich.
Ich klettere auf die Massagebank, lege behutsam seine Beine über die meinen, so dass ich direkt vor seinem Lingam sitze. Für einen kleinen Moment schließe ich die Augen, falte meine Hände und danke der Göttin. Das Öl wird heiß zwischen meinen Handflächen, eine lege ich auf sein Herz, die andere auf sein Genital. Sein Schwanz ist klein und prall und ich bewundere die Gerechtigkeit der Natur: ob zwei Zentimeter groß oder zwanzig – die Fähigkeit Lust zu erzeugen hängt davon nicht ab. Ich streichle behutsam mit einem Finger, drücke, knete und drehe,halte still, reibe, vibriere, umfasse, liebkose, klopfe, dehne, schüttle, streiche gleichmäßig, umkreise, bin langsam und schnell. Jetzt stehe ich wieder neben der Bank, wenn der Atem zu schnell wird, halte ich inne, streiche den gesamten Körper aus, lasse mir sagen „Oh wie gemein“ und beginne von vorn. Ich frage meinen König, ob er etwas besonders mag. „Wie soll ich das wissen, wenn ich solche Gefühle noch nie hatte...das ist ja viel intensiver als...“stöhnt es vom Kopfende her. Ich halte nicht mehr inne, eine warme Flüssigkeit ergießt sich über seinen Bauch. Meinen Kopf an seiner Schulter hält sein Arm mich fest. Stille. Nachbeben. Mein Herz ist voller Dankbarkeit und Frieden. Langsam löse ich mich, lege ein warmes Tuch auf seinen Lingam und decke ihn mit seinem Sarong zu. Er schaut mich an. Nachdenklich. Selig. Weich. Liebevoll.

von Marlene, Sinnesart

Klassentreffen

Das letzte Klassentreffen im vergangenen Herbst war ein Desaster. Meine damals beste Freundin Anna kam auf mich zu und meinte, ich sei bei ihr unten durch, weil ich „sowas“ machen würde. Sie ist jetzt Lehrerin, sie hätte das nie von mir gedacht. Die wenigen Jungs unserer Klasse saßen wie damals schon verschwörerisch in einer Ecke, ich ahnte, was sie tuschelten und sollte es bald erfahren. Ich erinnerte mich an das Klassentreffen fünf Jahre zuvor. Am Ende des Abends nahm mich Lukas beiseite, er schwankte und ein wenig und lallte mir zu: „Sag mal... und du, du hast nie geheiratet?“ Ich war gespannt, worauf das hinauslief, hob meine Augenbrauen und lachte ihn an. „Na da hast du´s gut“, fuhr er fort, „da ist ja bei dir noch alles offen. Weißt du, bei mir ist alles schon vorbei, Ende. Im Bett läuft nichts mehr und das wird sich auch nicht ändern. Mein Leben ist gelaufen. Schade, aber nicht zu ändern. Aus. Vorbei.“ Er schaute tief in sein Bierglas, streckte mir dann die Hand entgegen, sagte statt eines Abschieds „Herzlichen Glückwunsch“ und ging davon. Meine Güte, dachte ich, wir sind doch erst vierzig. Ich hätte ihm gern noch erzählt, wie sehr ich mir jemanden wünschte, der mich erwartet am Abend. Oder dass halt jeder seine Bestimmung hat, seine ureigensten Konfliktfelder, die sich wie ein roter Faden durch das Leben ziehen. Da gibt es nichts zu beglückwünschen oder zu vergleichen.
Ich setzte mich zu den Jungs an den Tisch, ich hatte mich damals immer eine Spur sicherer gefühlt bei ihnen als mit den Mädchen, von denen ich nie wusste, was sie gerade im Schilde führten. Aber an diesem Abend grinsten sie sich an und rückten näher zusammen. Als jemand ein Foto machen wollte von unserem Tisch, rief Lukas in die Runde: „Die Kati brauchst du nicht mit zu fotografieren, von der gibt’s schon genug Bilder...! Einige Köpfe drehten sich fragend zu ihm um, Lukas schaute nochmals in die Runde und rief dann: „Im Internet!“. Alle prusteten drauf los und amüsierten sich köstlich. „So“, fragte ich, „und was suchst du auf diesen Seiten?“ Ob es nun am Alkohol lag oder weil Lukas glaubte, etwas wieder gutmachen zu müssen – er gab jetzt redselig zu, dass er natürlich Nutzer sei, Nutzer dieser Seiten und solcher Angebote. Ich setzte mich daraufhin zu Nina und Ellen, die damals nicht bei Kindergeburtstagen dabei waren und denen die Jungs Reißzwecken auf den Stuhl legten. Wir sprachen über Männer und ich brach für diesen Abend meinen Schwur, nie wieder schlecht über Männer zu reden.

von Kati, Masseurin

Der wilde Lukas - ein tantrisches Ritual

Gerd war Katholik, aber erinnerte mich sofort an einen buddhistischen Mönch, der so über die Erde geht, dass er keinen Regenwurm zertritt. Er erzählte von seiner gutgehenden Steuerkanzlei, dass er einfach mal etwas ausprobieren wolle, weil er seine Frau damit überraschen möchte. Er wünschte sich, die Yonimassage zu erlernen, und ich zeigte sie ihm, zeigte ihm meine Yoni, ermutigte ihn. Erst später, nach mehreren Begegnungen, erfuhr ich, dass die Ehe schon dem Ende entgegen ging und seine Frau sich von ihm trennen wolle. Sie verhungere sexuell an seiner Seite. Wir verabredeten ein Heilungsritual. An jenem Samstag wirkte Gerd unruhig, unentschlossen, eigentlich hätte er absagen wollen. Das ganze Thema Sexualität erzeuge nur Druck bei ihm, er habe es ziemlich satt. Dann beginnt er zu erzählen. „Weißt du, bei uns zu Hause gab es immer nur Streit und Stress deswegen. Mein Vater hatte ein Verhältnis mit der Haushälterin, die ich liebte wie meine Mutter. Eines Tages umarmte sie mich weinend, sagte dass sie ein Kind bekomme, was meine Schwester sein sollte und dass wir uns nie wieder sehen würden. Über Jahre hinweg warf meine Mutter meinem Vater vor, ihr das Herz gebrochen zu haben, alles nur wegen seiner verfluchten Triebhaftigkeit. Es gab nichts Herzliches mehr, nur eisige Kälte, und ich nahm mir vor, dass ich nie, niemals, jemandem so weh tun wollte, sondern zärtlich sein und liebevoll, wenn ich schon mit einer Frau zusammen sein sollte. Ich verstand nicht, warum Gott den Menschen so schwierige Prüfungen auferlegte und das Kinderkriegen mit so viel Leid verbunden war. Und jetzt, nachdem ich immer zärtlich und liebevoll zu meiner Frau war, sagt sie, dass ich ihr vorkomme wie ein Bub... Ich komme mir ja selbst so vor...“
Ich frage Gerd, was er sich für seine Sexualität wünscht.
„Ich wünsche mir, dass ich für meine Frau ein guter Liebhaber bin.“
„Ich meine jetzt nicht, was du glaubst, dass deine Frau sich wünscht, sondern was du dir für dich wünschst...“
„Naja, ich möchte halt meiner Frau Freude bereiten. Was würde dir als Frau denn Freude bereiten?“
Ich überlege eine Weile. Wenn ein Mann mich begehrt, wenn seine eigene Lust schier grenzenlos ist, wenn er zärtlich ist und wild, wenn er meiner Lust dient und seine Lust befriedigt, sich hingibt und sich nimmt, was seiner Lust dient. „Was dient denn deiner Lust“, frage ich Gerd, „was sagt denn dein innerer Liebhaber dazu?“ Gerd schweigt eine Weile. „Ich kenne ihn nicht, meinen inneren Liebhaber.“
Wir haben das Thema für unser Heilungsritual gefunden – Gerd will seinem inneren Liebhaber begegnen. Wir begeben uns in das Ritualzimmer, ich beginne wie immer mit der Massage, bedenke dabei seinen Lingam besonders liebevoll. Er würde der Schlüssel sein, das Tor. Ich ziehe einen Kreis aus geweihtem Rauch um unser Lager. Bitte still meine und seine Helferwesen zu uns und schicke ihn auf die Reise. Durch einen dunklen Wald, von fern heult ein Wolf. Ich bin bei dir, lass uns weitergehen, sieh, da vorn ist Licht. Eine Lichtung ohne Tageszeit, fluoreszierende Blüten aus Federn und Fell, den Herzschlag der Erde spüren. Sieh mal, Gerd, jemand kommt auf dich zu, wie schaut er aus? Gerd hat die Augen geschlossen, ich wölbe meine warme Hand über seinem Lingam. Gerd bringt die Worte mühsam hervor, als sammle er eins nach dem anderen aus den Weiten des Universums. „Ein kräftiger ... Bauernbursche ... mit langem, schwarzen Haar ... kommt auf mich zu und ... bleibt vor mir stehen.“ Frage ihn, wer er ist und wie er heißt. „...... ich bin dein innerer Liebhaber... ich heiße Lukas, der wilde Lukas ... ich habe schon so lange auf dich gewartet. ... Er soll bei mir bleiben...!“ Sag es ihm und frage, was er braucht, um bei dir zu bleiben. „Ich soll ... ich soll ... weniger Angst haben vor ihm, ... er ist das Leben, und ich soll die Schönheit sehen in allem, auch in mir selbst...“
Wochenlang höre ich nichts von Gerd. Umso mehr freue ich mich, als er wieder einen Termin vereinbart. Festen Schrittes kommt er ins Zimmer und umarmt mich, fragt ob ich einen Schluck Sekt mit ihm trinke. Er hätte wenig Zeit gehabt, weil so viel zu regeln war wegen der Scheidung, neue Wohnung suchen und einrichten und so weiter. Ich wundere mich über seine Heiterkeit und Gelassenheit. „Ja.“, sagt er, „beginnen wir jetzt mit der Massage? Ich möchte noch einiges über mich erfahren...“

von Klaudia, Sexualcoach