Manifest der TempelpriesterInnen

Dieses Manifest erklärt unsere Ziele und Absichten und dient unserem Selbstverständnis: Wer sind wir, was wollen wir, wozu sagen wir JA?

1. TempelpriesterInnen arbeiten, heilen und lehren im Feld der Sexualität

Mit unserem Bund unterstützen wir uns gegenseitig in dieser Arbeit. Wir setzen uns dafür ein, den Wert von würdevoller Sexualität auch für andere Menschen erfahrbar zu machen. Dafür schaffen wir Liebeslernorte und Erfahrungsräume.
Erläuterungen zu Punkt 1
Auf die eine oder andere Weise bestimmt das Thema Sexualität unser Leben auch im beruflichen Kontext. Um diese Arbeit zu unterstützen, entstand der Bund der TempelpriesterInnen. Wir haben den Wert der Sexualität selbst erfahren – als pure Lebens- und Heilkraft, als Ausdruck von Liebe, als Katalysator für Selbstwirksamkeit, um in die eigene Mitte zu kommen und Blockaden aufzulösen. Um dies auch anderen Menschen zu ermöglichen, kreieren wir Liebeslernorte und heilige Zeremonien, ebenso nutzen wir Wissenschaft und Forschung. Wir schaffen Erfahrungsräume, in denen gesucht, gelehrt und erinnert wird. TempelpriesterIn zu sein ist ein Seelenauftrag: Wir lieben was wir tun, stehen aufrecht dafür ein und stecken andere mit unserer Freude an. Wir setzen uns dafür ein, dass die Welt ein Haus der Freude wird.

2. Wir führen eine uralte Tradition fort

Zu allen Zeiten gab es Menschen, die andere das Mysterium der Sexualität lehrten. So unterschiedlich wie ihre Namen waren über die Zeiten hinweg ihre gesellschaftliche Anerkennung, ihr Einfluss und ihre Methoden. Viel Wissen ging verloren – wir sammeln es jetzt wieder ein, bewahren, schätzen und verbreiten es.
Erläuterungen zu Punkt 2
Zu allen Zeiten und Kulturen gab es unzählige Möglichkeiten, mit Sexualität zu arbeiten, zu heilen oder sie zu unterrichten. TempeldienerInnen, Mätressen, LiebesdienerInnen, Huren, Geishas, Tempeltänzerinnen, Hebammen, weise Frauen und Männer… – sie alle wussten um den Wert gelebter körperlicher Liebe. Auch trugen sie Sorge für das emotionale und soziale Gleichgewicht ihrer jeweiligen Gesellschaft. Das verlorene Wissen taucht jetzt allmählich wieder auf. Wir sammeln die Puzzlestücke ein aus Geschichtsforschung, Liedern, Mythen und Märchen, aus Archäologie und Anthropologie. Das Wissen und die Weisheit unserer Ahnen sowie vergangener und fremder Kulturen – meist von einer ganzheitlichen Sicht geprägt – gilt es zu bewahren und zu schätzen, indem wir uns erinnern und unsere Wurzeln achten. Wir kommen in Kreisen Gleichgesinnter zusammen und nutzen unterschiedliche Formen und Möglichkeiten unseres Bewusstseins, uns zu erinnern. Der Name TempelpriesterIn deutet auf das Zeitlose und Heilige hin. Wir öffnen damit einen weiten Raum für Erkenntnis, Verbindung und Heilung.

3. Wir setzen uns für Heilung ein

PriesterInnen sind FeldheilerInnen. Wir setzen uns einerseits für die Heilung des verletzten sexuellen Feldes ein – mit therapeutischer Einzelarbeit, aber auch umfassender Aufklärung und Wissensvermittlung. Andererseits erforschen wir, inwiefern Sexualität als stärkste Lebenskraft ein Heilmittel an sich sein kann.
Erläuterungen zu Punkt 3
Wir gehen davon aus, dass das Feld der Sexualität als solches verletzt und voller Missverständnisse ist und der Heilung bedarf. Dies beinhaltet die Heilung aller sexuellen Verletzungen aus allen Zeiten. Wir finden Worte für das Unaussprechliche, lösen Tabus auf und schauen Zusammenhänge an. Sexuelle Heilung beinhaltet bedingungslose Liebe, Fürsorge, Mitgefühl, Selbstliebe und Sinnlichkeit gegenüber allem Lebendigen. Ebenso liegt uns die Heilung Einzelner am Herzen, vor allem wenn es um sexuelle Verletzungen, Ängste und Traumata geht. Wir gestehen jedem Menschen zu, selbst zu definieren, was dies ausmacht, aus welcher Zeit eine Verwundung stammt und was sie verursacht hat. Wir unterstützen Ratsuchende, ihren individuellen, selbstbestimmten Weg zur Heilung zu erkennen und zu gehen. Wir verhelfen anderen Menschen dazu, sich selbst, diese Verletzungen und wirkliche Bedürfnisse zu erkennen. Dabei schöpfen wir aus unseren eigenen Verletzungen Kraft und Wissen. Wir verlassen dabei den Täter-Opfer-Raum und verbinden uns wieder mit unserem Schöpferbewusstsein. Zum anderen erforschen wir, inwiefern Sexualität an sich zu Heilung beitragen kann. Sie gehört unmittelbar zu unserer Natur – wir alle sind durch sie entstanden. Sie ist eine der stärksten Energien überhaupt und pure Lebenskraft – dies gilt es wahrzunehmen. Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern zeigt sich, wenn wir das gesamtes Potential unseres Körpers auf allen Ebenen nutzen können.

4. Wir anerkennen die spirituelle Dimension der Sexualität

Ein rein materieller und damit einseitiger Blick schneidet uns von unserer Schöpferkraft ab. Sind wir getrennt von der Quelle, bleiben wir unbewusst sexuell und spirituell hungrig und damit manipulierbar. Sexualität ganzheitlich zu leben nährt unsere Seelen.
Erläuterungen zu Punkt 4
Wir gehen davon aus, dass Sexualität in ihrem Ursprung mit Spiritualität – auch diese Definition ist individuell – verbunden ist. Viele kulturelle Bezüge deuten darauf hin, zum Beispiel das Bild der Heiligen Hochzeit, der heilige Gral oder die Vertreibung aus dem Paradies. Auch die Anatomie unseres Körpers liefert Hinweise: Das Tor ins Leben ist von einem Lustzentrum umgeben, unser Intimbereich hat eine direkte energetische Verbindung zur Zirbeldrüse, dem Sitz unseres Bewusstseins. Man könnte den sexuellen Akt auch als Nabelschnur zum Göttlichen betrachten. Ein rein materieller Blick auf die Welt schneidet uns von diesem Wissen ab. Sind wir getrennt von der Quelle, bleiben wir unbewusst sexuell und spirituell hungrig und damit manipulierbar. Das zeigt sich in Konsumverhalten, Krankheiten, Ausbeutung aller Art. Wir sind anfällig für Propaganda und Lügen und stimmen sogar Kriegen zu. Für eine friedliche Welt und für das Überleben der Menschheit brauchen wir Zugang zu seelenvoller Nahrung: Das Bewusstsein um heilige Sexualität.

5. Wir fördern eine neue sexuelle Kultur

Unsere Welt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess. Um ihn mitzugestalten, brauchen wir starke und klare Visionen. Die Zeit ist reif für ein Gleichgewicht zwischen weiblichen und männlichen Prinzipien, für Frieden zwischen den Geschlechtern und funktionierende Beziehungsformen.
Erläuterungen zu Punkt 5
Für den derzeitigen Paradigmenwechsel gibt es für beinahe alle Lebensbereiche Zukunftsentwürfe: Für eine neue Medizin, ein besseres Finanz- und Wirtschaftssystem, für Bildung und Wissenschaft – kaum aber Bilder von einem neuen Umgang mit Sexualität. Die Zeit ist reif, alte Muster und Moralvorstellungen zu prüfen. Unsere Sexualität ist geprägt von patriarchalen Werten und einer materiellen und medizinischen Sicht. Wir brauchen einen neuen Umgang, der von Liebe, Respekt, Freude und Selbstverantwortung getragen wird und sich an natürlichen Bedürfnissen orientiert. Wir brauchen die Synthese von weiblichem und männlichem Wissen ohne Hierarchien. Neutrale wissenschaftliche Forschung sollte sich auf unsere konkreten praktischen Erfahrungen beziehen. Da alles Entstehende vorher im Bewusstsein angelegt ist, brauchen wir starke und klare Visionen. Diese schreiben wir in Geschichten nieder, bei denen unsere Intuition, unsere Ahnungen, unsere Sehnsüchte und Eingebungen gefragt sind. Wir erstellen Konzepte für Räume, in denen geforscht, gelehrt, erinnert und gelebt wird. Und wir leben vor, was wir uns für eine neue Zeit wünschen. Mit all dem schaffen wir den Grundstein für neue Wirklichkeiten. Wir sind dankbar, daran jetzt mitzuwirken.

6. Der Körper ist der Tempel der Seele – die Würde des Körpers ist unantastbar

Ohne gesunden Körper keine geistige Gesundheit. Jegliche sexuelle Gewalt beschädigt das morphogenetische Feld der Sexualität. Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Körper weltweit die Chance auf umfassende Gesundheit und Lebendigkeit hat. Freude als verkörperte Liebe ist unser Kompass.
Erläuterungen zu Punkt 6
Die Würde des menschlichen Körpers ist unantastbar. Gesunde Körperlichkeit im Sinne der Salutogenese ermöglicht uns ein vitales Erleben von Sexualität als auch den Zugang zu geistigen Quellen. Unser Bewusstsein kann nur durch unseren Körper auf dieser Erde wirken. Das kosmische Gesetz der Polarität verwirklicht sich hier als weibliches und männliches Prinzip – beide sind gleichermaßen zu achten. Von der Seelenebene aus betrachtet gibt es kein Geborenwerden im falschen Körper – jeder Körper ist heilig. Die Grausamkeiten, die Körpern angetan wurden und werden, bleiben in den Zellen gespeichert und wirken über Generationen hinweg. Jegliche sexuelle Gewalt – auch rituelle Kulte, Genitalverstümmelung oder körperfeindliche Traditionen – beschädigt das morphogenetische Feld der Sexualität auf allen Ebenen. Diese (auch kollektiven) Traumata haben Auswirkungen auf unsere eigene Sexualität auf verschiedenste Weise. Unkenntnis und fehlendes Bewusstsein in Bezug auf die wahren körperlichen Bedürfnisse machen uns außerdem anfällig gegenüber Süchten und Ersatzbefriedigungen sowie der Beeinflussung durch Sex- und Kosmetikindustrie. Dies haben wir im Blick, wenn wir mit Menschen arbeiten. Wir sorgen uns aktiv um unsere eigene Gesundheit und setzen uns solidarisch dafür ein, dass jeder Körper weltweit die Chance auf umfassende Lebendigkeit hat.

7. Wir fordern selbstverständlichen Respekt für unsere Arbeit

Jeder, der mit Sexualität arbeitet, lehrt oder heilt, sollte dies so selbstverständlich tun können wie eine LehrerIn oder ÄrztIn – unser Tun hat gesellschaftliche Relevanz. Wir gehen mit gutem Beispiel voran, stehen zu unserer Arbeit und folgen mutig der Wahrheit unseres Herzens.
Erläuterungen zu Punkt 7
Die jetzige sexuelle Kultur ist ein Dilemma. Vor allem die Bereiche der Sexarbeit trifft das gesellschaftliche Stigma von Makel. (Hier wäre noch tiefer zu ergründen, warum gerade unsere Arbeit derart betroffen ist und warum das vielen selbstverständlich erscheint.) Unkenntnis, Ausgrenzung und Verurteilung sind die Folge. Wir wehren uns gegen Gesetzlichkeiten, die diese Stigmatisierung verschärfen. Deshalb klären wir auf, stehen zu unserer Arbeit und gehen mit gutem Beispiel voran. Das ist oft leichter gesagt als getan. Es braucht Mut und Geduld. Unsere Toleranz gründet sich in dem Wissen, dass jeder Mensch Resultat seiner Umgebung und Biografie ist. Deshalb sind wir nachsichtig und mitfühlend gegenüber denen, die unsere Arbeit aus Unbewusstheit und Ängsten heraus verunglimpfen. Je mehr wir uns selbstbewusst und in unserer Größe zeigen, umso mehr laden wir auch andere dazu ein. Sexualität gehört zum Leben dazu und sollte gefeiert werden. Wir fordern Respekt für diese gesellschaftlich wertvolle Aufgabe.

8. Selbstliebe und Eigenmacht sind Grundlagen unserer Arbeit

Die Beziehung zu uns selbst bestimmt, wie wir Beziehungen zu anderen gestalten. Wir achten daher auf unsere natürlichen Bedürfnisse und sind wachsam gegenüber Ausbeutung aller Art. Wir sind bereit, uns zu hinterfragen, uns weiterzubilden und lassen uns auf Wandlungsprozesse ein.
Erläuterungen zu Punkt 8
Selbstliebe zeigt sich in unterschiedlichen Facetten wie Selbstachtung, Selbstakzeptanz, Selbstwertschätzung. Wir selbst tun nur Dinge, die wir ethisch und moralisch für vertretbar halten. Wir achten unsere eigenen Grenzen und die anderer Menschen. Wir lassen uns nicht ausbeuten und beuten uns selbst nicht aus, vor allem nicht sexuell. Unser Maßstab ist: Dient etwas dem Leben oder schadet es ihm? Ist unser Tun vom Herzen geleitet oder von übernommenen Werten und äußerer Moral? Gleichzeitig bilden wir uns weiter und wissen um den Wert von Entwicklung und Reifung. Wir sind bereit uns zu hinterfragen und lassen uns bewusst auf Wandlungsprozesse ein. Unser eigener Schmerz ist dabei Quelle für Erkenntnis und Kraft. Zu unserer Ethik gehören Ehrlichkeit, Mut und Klarheit, ebenso wie Vitalität und Freude. Wir gehen aufrecht, feiern das Leben und alle Formen der Liebe und stecken andere mit unserer Freude an.

9. Wir erkennen einander und respektieren unsere Wirkungsfelder

Wir begegnen uns solidarisch und auf Augenhöhe. Wir achten den ureigensten Weg des anderen, ebenso wie alle Arten unserer Tätigkeit. Um mit Sexualität zu arbeiten, zu heilen oder sie zu unterrichten warten wir nicht, bis wir meinen vollkommen zu sein – JETZT geben wir unser Wissen weiter.
Erläuterungen zu Punkt 9
TempelpriesterInnen erkennen und achten einander. Wir begegnen uns auf Augenhöhe und respektieren alle Arten unserer Tätigkeit. Wir sind tolerant gegenüber anderen Wahrheiten und suchen immer zuerst das Verbindende. Wir sind stolz auf unser Wirken, wertschätzen uns und bestätigen einander, unabhängig davon, wo wir gerade stehen. Um mit Sexualität zu arbeiten, zu heilen oder sie zu unterrichten, werden wir nicht warten, bis wir das Gefühl haben, ausreichend Wissen angesammelt zu haben. JETZT ist der Moment, in dem die Welt uns braucht, mit all unserer scheinbaren Unvollkommenheit. Wir besitzen bereits genug Wissen und entscheiden uns dafür, es zu vermitteln. Wir sind immer im Lernprozess und immer richtig wie wir sind. Damit ermutigen wir auch andere Menschen zu Eigenmacht und Selbstverantwortung, zum Erkennen von Grenzen und Bedürfnissen – insbesondere in Bezug auf Sexualität.

10. Wir sind verbunden mit allem Lebendigen

Wir achten alle natürlichen Formen des Lebens auf dieser Erde. Unser Tun hat Auswirkungen auf das große Ganze. Wird Sexualität als grundlegende positive Lebenskraft anerkannt, können Menschen angstfreier und versöhnlicher leben. Damit sind wir Teil der weltweiten Friedensbewegung.
Erläuterungen zu Punkt 10
Wir sind verbunden mit allen Lebensformen der Erde und darüber hinaus. Wir wissen, dass wir Teil der natürlichen Vielfalt sind. Die Wunder der Natur zu erleben mit der ihr innewohnenden Ordnung – sei es ein Wasserkristall oder die Gesetze der heiligen Geometrie – erinnern uns daran, dass auch wir in in Ordnung sind. Unsere sexuelle Natur gehört unbedingt dazu. Die Vielfalt des Leben darf auch unseren sexuellen Ausdruck in unterschiedlichsten Facetten umfassen: Sinnlichkeit und Erotik, Stille und Rückzug, Ekstase und Animalisches, Dominanz und Hingabe. Zu wissen, dass wir damit Teil des großen Lebensplanes sind, hilft unsere Arbeit zu relativieren und gleichzeitig ihre Dimension zu erkennen. Die Anerkennung von Sexualität als grundlegende positive Lebenskraft – frei von Schuld, Scham und Schande – ermöglicht angstfreier zu leben. Unser Menschenbild sieht uns als vom Wesenskern her friedfertig. Aggressionen und Kriege entstehen durch Angst, indem Gefühle verletzt werden und grundlegende Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Ein auf gesunde Weise sexuell erfüllter Mensch toleriert andere Meinungen und hat Interesse daran, Leben zu schützen. Unsere Arbeit trägt dazu bei, Frieden zwischen Frau und Mann zu fördern, ebenso alle Formen der Liebe, die Menschen versöhnlicher machen. Unser Tun ist Friedensarbeit und trägt dazu bei, dass kommende Generationen auf der Erde gut leben können.